Ganz schön grün: Mit Efeu waschen

Drei Wochen im tiefsten, nördlichen Waldviertel. Ohne Internetanschluss. Und mit einer Handyverbindung, die so zuverlässig ist, wie gute Laune bei einem pubertierenden Teenager. Da kann man schon mal auf krude Ideen kommen. Vor allem wenn man plötzlich so viel Zeit hat, dass man selbst jede winzigste Fußnote der mitgebrachten Lektüre verschlingt. In diesen meist viel zu stiefkindlich behandelten Textpassagen, verstecken sich ja oft die wirklich spannenden Details.

In meinem Fall ist es zwar keine Fußnote, sondern eine kleine Randnotiz, aber der Inhalt ist genau das Fundstück, das ich scheinbar gesucht habe. Der Hauch von Abenteuer in meinem Idyll aus Landschaft, Himmel und wieder Landschaft. Verkürzt steht dort: Man kann mit Efeu Wäsche waschen. Nicht wirklich richtig abenteuerlich, ich weiß. Aber hab ich schon erwähnt, dass ich drei Wochen hier verbringe? Ohne… Egal.

Vorfühlen

„Sag mal, haben wir hier nicht auch irgendwo Efeu?“, frag ich direkt J., der gerade neben mir am Rasenmäher herumwerkt. „Ja klar, hinterm Haus. Wieso?“, wirft mir der jetzt fragende Blicke zu. „Nur so“, wiegle ich schnell wieder ab. Ich will ihn nicht gleich von vornherein abschrecken, immerhin ist er etwas heikel, was seine Wäsche betrifft. „Wusstest du eigentlich, dass es Pflanzen gibt, in denen seifenähnliche Stoffe stecken und dass man damit sogar Wäsche waschen kann?“, frag ich stattdessen kurze Zeit später. Ich setze auf den „Oh-wie-interessant!-Das-sollten-wir-auch-mal-ausprobieren!“-Effekt. „Em, nein“, kommt aber nur knapp als Antwort. Der verdammte Rasenmäher verschlingt die ganze Aufmerksamkeit.

Die nächsten Stunden verbringe ich damit, geeignete Momente abzupassen um J. häppchenweise und mit gut durchdachten Argumenten auf mein Vorhaben vorzubereiten. Am Ende bleibt er dennoch skeptisch. „Hier“, reicht er mir dann aber doch noch stirnrunzelnd ein Stück Wäsche. Das gefühlt älteste Shirt, das in seinem Besitz ist und das wohl einst Guns n‘ Roses huldigen sollte, wenn ich das richtig erkennen kann. Zumindest U. hat mehr Vertrauen in mein Experiment und so bekommen wir dann trotzdem eine Ladung voll. Wobei, wollte sie nicht eigentlich ihren Lieblingspulli waschen?

Vorbereiten

So groß meine Begeisterung ist, ein bisschen skeptisch bin ich trotzdem auch. Immerhin begegnet man nicht alle Tage jemandem in der Waschküche, dem eine Efeuranke aus dem Korb hängt. Außerdem will ich mich versichern, dass das Ganze nicht nur ein Hirngespinst einer einzigen Person ist, sondern dass da schon mehr dahinter ist. Das verzögert mein Vorhaben allerdings noch mal um einen Tag, weil an einen schnellen Check im Web hier nicht zu denken ist. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude.

Der nächste Tag bringt nicht nur eine Fahrt zum Supermarkt – am Regal mit den Waschmitteln geh ich lässig vorbei – sondern auch die Erkenntnis, dass mit Efeu zu waschen durchaus eine Möglichkeit darstellt, wie mir eine schnelle Google-Suche verrät. Weil das Display winzig und die Zeit knapp ist, begnüge ich mich damit, wahllos auf zwei Einträge zu klicken und diese querzulesen. Dann brennt mir nur noch eine Frage auf der Seele. Efeu ist doch eigentlich giftig – müsste man da nicht Bedenken haben? Aber nein, erfahre ich nach ein paar weiteren Klicks. Zumindest nicht, sofern man nicht gerade Nemo heißt und ein mit Wasser befülltes Rundglas sein Eigenheim nennt. Für Fische sind die Saponine, die im Efeu enthaltenen waschaktiven Substanzen, nämlich durchaus giftig.

Nach dem Basis-Check geht’s jetzt ans Eingemachte. Ein bisschen Zubereitung ist notwendig, man kann die Ranke ja schlecht als Ganzes in die Waschmittelkammer stopfen. In einem der quergelesenen Beiträge stand was von einem Mixer. Aber in meinen Mixer kommt mir das Zeug mal sicher nicht. Da hätte ich ewig lange das Gefühl, kleine Efeupartikel mitzutrinken. Der andere Beitrag hat geraten, eine Hand voll Blätter grob in zwei Hälften zu reißen. Das kommt mir jetzt aber fast zu simpel vor. Ich entscheide mich für ein Mittelding: 10 große Efeublätter mit der Schere in kleinste Schnipsel geschnitten. Die kommen dann in einen zugeknoteten Socken. Und die wiederum in ein Wäschenetz, sicher ist sicher. Ich will meinen Urlaub schließlich nicht damit verbringen, kleinste Efeuteilchen aus der Waschtrommel zu klauben.

„So, jetzt fehlt nur noch der Essig“, schnapp ich mir die entsprechende Flasche aus dem Küchenregal, um etwas davon in die Weichspülkammer zu schütten. J.s Augen weiten sich. „Den nehmen wir statt Weichspüler“, erkläre ich fachkundig. „Nicht mit meinem Shirt“, versucht mir jetzt J. den Stofffetzen wieder zu entreißen. „Ich will nicht, dass mein Gewand nach Marinade riecht!“ Aber ich bin schneller und schwups, landet das Teil doch in der Maschine. Ein wenig gut zureden und ich darf die Türe schließen. Axl Rose sieht etwas zerknittert zu uns raus, wie mir vorkommt.

Vorzeigen

So blöd es klingt, aber ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind und schleiche immer wieder wie zufällig an der Waschmaschine vorbei, als könnte man durch die kleine Luke hindurch erkennen, ob es funktioniert. „Sag, müsste das nicht eigentlich auch Schäumen, wenn seifenähnliche Stoffe im Efeu sind?“, ertappt mich U. dabei, als ich gerade wieder eine meiner Runden ziehe. Kurz darauf hocken wir zu dritt vor der Waschmaschine und starren hinein. „Da! Da ist Schaum!“, sag ich und deute mit dem Zeigefinger auf den winzig kleinen Bereich in dem sich tatsächlich so etwas wie Schaum gebildet hat. Meine beiden Mitwäscher kneifen die Augen zusammen und wechseln dann Blicke. Aber ich schwöre: Da war Schaum!

Nach eineinhalb Stunden ist es endlich soweit. Wohlweislich hab ich mich alleine zur Waschmaschine begeben, ich will nicht, dass mich unvorbereitet ein „Hab ich dir gleich gesagt“-Blick trifft. Aber der erste Check fällt positiv aus: Die Wäsche riecht weder nach Essig noch nach Blattgrün, wie ich erleichtert feststelle. Vielmehr riecht sie einfach nur frisch gewaschen. Das find ich schon mal gut.

„Na, dann zeig mal“, werde ich schon mit Interesse im Garten erwartet. Mit Kennerblick hat J. umgehend sein Shirt aus dem Korb gefischt und schnuppert jetzt daran. Ich versuche seine Mimik zu deuten, kann aber nicht recht viel ausmachen. Zumindest kein negativer Kommentar, das ist schon mal ein gutes Zeichen.

Ich entnehme Stück für Stück dem Wäschekorb und fühle mich zunehmend bestätig – riecht gut und sieht sauber aus. Super! Auch von den beiden anderen kommt keine Bemängelung. Bis ich plötzlich die Hose in der Hand habe, auf die ich gestern beim Grillen Sauce gepatzt habe. Der Fettfleck ist noch immer da. „Oh“, kann ich meine Enttäuschung nicht verbergen. Ich halte die Hose hoch und mein Experiment für gescheitert. Da tritt J. an meine Seite und inspiziert das besagte Stück. Ich warte auf das obligatorische „Hab’s gewusst“ aber stattdessen zuckt er nur mit den Schultern und sagt „Halb so schlimm, du patzt ja nicht alles mit Fettflecken voll.“ Dann zwinkert er mir zu und grinst. Auch wieder wahr, denk ich mir. Und so kommt’s, dass ich zu meinen bisher vorhandenen Wäschesorten noch eine weitere dazu bekomme: Efeu-Wäsche.

Auf einen Blick

Efeu enthält, wie zB auch indische Waschnüsse oder Rosskastanien, Saponine. Das sind waschaktive Substanzen, die gemeinsam mit Wasser eine seifenartige Lösung bilden. Weil dadurch die Oberflächenspannung des Wassers herabgesetzt wird, kann die Flüssigkeit besser in die Textilstruktur eindringen und der Schmutz lässt sich leichter herauslösen.

Was die Zu- bzw. Vorbereitung angeht, bin ich bei meiner Recherche auf verschiedene Möglichkeiten gestoßen. Diese reichen von wirklich einfach (Blätter wie sie sind in die Maschine geben) bis hin zu recht aufwändig (mit Wasser mixen, aufkochen, abseihen). Ich hab einen Mittelweg gewählt und für eine Maschine etwa 10 große Efeublätter klein geschnipselt und dann in eine Socke gestopft. Mit dem Ergebnis war ich zufrieden und bis auf die hartnäckigen Flecken war die Wäsche ordentlich sauber (bei einer Temperatur von 30°C).

Manche berichten davon, dass sich der Efeu nicht für eine Weißwäsche eignet, da sich mit der Zeit ein grauer Schleier auf den Textilien bildet. Da ich bisher nur bunt damit gewaschen habe, hab ich hier keine Erfahrungswerte. Ich wäre allerdings auch vorsichtig mit Wäsche, die strahlend weiß bleiben soll.